Ford F-150 Lightning startet in Norwegen
E-Pick-up kommt offiziell nach Europa

Trotz ständiger Preiserhöhungen hat sich der Ford F-150 Lightning in seiner Heimat USA zum Verkaufsschlager entwickelt. 2024 startet er erstmals außerhalb Nordamerikas.

Ford F-150 Lightning Norwegen Schnee
Foto: Ford Motor Company

Seit sage und schreibe 45 Jahren ist der Ford F-150 das meistverkaufte Auto der USA. Und nun auch einer der ersten Fullsize-Pick-ups mit rein elektrischem Antrieb. In einer großen Premieren-Show am 19. Mai 2021 hat Ford den zukunftsträchtigen Truck in Dearborn enthüllt. Der voll vernetzte Elektro-Ford kommt mit seinen beiden E-Motoren auf eine Gesamtleistung von bis zu 580 PS und ein maximales Drehmoment von 1.050 Nm – kräftiger ist kein anderer F-150 im Programm.

Unsere Highlights

Auf dem Weg zur versprochenen Revolution wird der F-150 Lightning zunächst einmal bei der Elektronik kräftig aufgerüstet. So ist er mit der "BlueCruise"-Funktion verfügbar, die auf rund 160.000 Kilometern Schnellstraßen und Autobahnen in den USA und Kanada weitgehend autonomes Fahren ermöglicht. Ein weiteres Highlight ist die Onboard-Waage: Über die Fahrwerkssensoren kann der Ford F-150 Lightning die Zuladung messen und anzeigen; diese Funktion wird auch bei der Reichweiten-Berechnung verwendet. Zudem kann der E-Pick-up dank des "Pro Trailer Hitch Assist" automatisch in die perfekte Position steuern, um Anhänger anzukuppeln.

Elektronisch aufgerüstet

Im F-150 Lightning in den Ausstattungslinien Lariat und Platinum feiert außerdem SYNC 4A Premiere: eine moderne Benutzeroberfläche, die von einem 15,5-Zoll-Touchscreen unterstützt wird. SYNC 4A bietet eine natürliche Sprachsteuerung, Cloud-verbundene Navigation und drahtlosen Zugriff auf Apple Carplay, Android Auto, Amazon Alexa und SYNC AppLink-Apps. Volldigitale Instrumente (Zwölf-Zoll-Bildschirm) sind Ehrensache und Over-the-Air-Updates für zukünftige Funktionserweiterungen und Service-Programme natürlich ebenfalls an Bord. Zusätzlich gibt es erstmals die Möglichkeit, das persönliche Smartphone als Fahrzeugschlüssel einzusetzen.

Ford bietet den F-150 Lightning mit zwei Batterie-Optionen an. Die Standard-Version erlaubte anfangs eine Reichweite von 370 Kilometern. Dank kleiner Optimierungen rund um den Energiespeicher steigt der Wert nun auf von der US-Umweltbehörde zertifizierte 386 Kilometer. Die Leistung der beiden E-Motoren ist in diesem Fall auf 452 PS gedeckelt, das Drehmoment bleibt bei 1.050 Nm. Mit der Extended-Range-Batterie werden bis zu 514 Kilometer Reichweite versprochen; hier ist dann auch die volle Leistung mit 580 PS freigeschaltet. In dieser Konfiguration soll der Ford F-150 Lightning in unter fünf Sekunden auf 100 km/h beschleunigen.

Bis zu drei Tage Notstrom-Versorgung

Die Lithium-Ionen-Batterie mit Flüssigkühlung lässt sich mit Gleich- und Wechselstrom laden, wobei die Variante mit der großen Batterie über einen leistungsfähigeren Onboard-Lader verfügt. Maximal 150 kW Ladeleistung sind möglich, die Ladung von 15 auf 80 Prozent soll damit in 44 (Standard Range) oder 41 Minuten (Extended Range) erledigt sein.

Gleichzeitig stattet Ford den Elektro-Pick-up mit einer intelligenten Stromentnahme-Möglichkeit aus. Das erlaubt es nicht nur, den F-150 Lightning unterwegs als Stromquelle zum Beispiel für Elektrowerkzeuge auf der Baustelle zu nutzen. Es ist außerdem möglich, über eine spezielle Hausladestation das Eigenheim komplett mit Strom zu versorgen. Im Falle eines Stromausfalls soll die Variante mit Extended-Range-Batterie bis zu drei Tage lang die Stromversorgung eines Haushalts sicherstellen können. Diese bidirektionale Energieversorgung ermöglicht zusätzlich eine intelligente Ladesteuerung. So soll es bei entsprechenden Stromtarifen möglich sein, den Haushalt während des Tages über den angeschlossenen Pick-up mit Strom zu versorgen, während dieser dann nachts zu günstigeren Stromtarifen "nachtankt".

Riesen-Laderaum unter der Haube

Technisch bietet der F-150 Lightning gegenüber seinen Verbrenner-Kollegen weitere interessante Neuerungen. Das wäre einerseits die neue Hinterachse mit Einzelradaufhängung, welche den Fahrkomfort im Vergleich zu den Standard-Modellen mit Starrachse erheblich verbessern dürfte. Die Nutzlast leidet ein wenig, bis zu 1.010 Kilogramm Zuladung sind freigegeben. Anhänger darf der F-150 Lightning bis zu einem Gewicht von 4,5 Tonnen an den Haken nehmen.

Ford F-150 Lightning Elektro-Pickup 2022 Weltpremiere
Ford
Nicht nur bei der Arbeit praktisch: 400 Liter Volumen bietet der vordere Gepäck- und Laderaum.

Ein weiteres Highlight ist der "Frunk" (zusammengesetzt aus Front und Trunk, vorderer Kofferraum). Der ist mit 400 Litern Ladevolumen und 180 Kilogramm Nutzlast nicht nur ziemlich üppig dimensioniert, sondern wegen der bis hinunter zum Stoßfänger öffnenden Haube auch sehr gut beladbar. Im "Frunk" befindet sich auch die Wechselstrom-Versorgung für Geräte mit bis zu 2,4 Ampere Anschlusswert. Auch auf der 1,68 Meter langen Ladefläche befinden sich einige derartige Anschlüsse.

Massive Investitionen ins Lightning-Werk

Mit der Funktion "FordPass Power My Trip" ermittelt der F-150 Lightning vor Fahrtantritt anhand der Routenplanung, wann und wo er aufgeladen werden muss. Das Fahrzeug berechnet die Reichweite unter Berücksichtigung von Wetter, Verkehr, Zuladung, Anhängelasten sowie der Routenführung. Die mit der Cloud verbundene Navigation von SYNC 4 identifiziert auch öffentliche Ladestationen und fordert den Besitzer oder die Besitzerin auf, bei jeder Fahrt an geeigneten Stellen zu laden. Ford verspricht den Zugriff auf US-weit 63.000 öffentliche Ladepunkte.

Mitte September 2021 startete im legendären River Rouge Complex die Vorproduktion des Ford F-150 Lightning; im April 2022 kam er in den Handel. Das 1917 gegründete Werk in Dearborn wurde im Rahmen der Elektro-Initiative des Konzerns in einem ersten Schritt für rund 700 Millionen Dollar modernisiert. Aufgrund der vielen Vorbestellungen – zum Zeitpunkt des Vorserienstarts sprach Ford von 150.000 – investiert Ford zusätzlich 250 Millionen Dollar und schafft 450 weitere Arbeitsplätze im Rouge Electric Vehicle Center und den angeschlossenen Komponenten-Werken. Dadurch wird die Fabrik auf eine Kapazität von 80.000 Autos pro Jahr – das Doppelte des ursprünglich geplanten Outputs – ertüchtigt.

Preise ab etwa 55.100 Euro

Ford bietet den F-150 Lightning in vier Ausstattungslinien an, deren Preise "aufgrund signifikanter Materialkostensteigerungen und anderer Faktoren" seit Marktstart bereits mehrmals empfindlich gestiegen sind. Die Basisversion, mit der sich Ford speziell an kommerzielle Nutzerinnen und Nutzer wendet, kostet inzwischen 59.974 Dollar (abzüglich eventueller Bonusprogramme; aktuell umgerechnet etwa 55.100 Euro). Bereits im August hob Ford den Basispreis von ursprünglich 39.974 auf 46.974 Dollar an. Im Oktober ging es dann auf 52.974 Dollar, bevor es im Dezember auf 55.974 Dollar ging. Zum Vergleich: Tesla hat den angekündigten Allrad-Pick-up Cybertruck – allerdings schon vor langer Zeit – mit rund 50.000 Dollar taxiert. Beim E-Auto Startup Rivian wird der Elektro-Pick-up R1T ab 67.500 Dollar angeboten.

Die Einstiegsversion trägt den Beinamen "Pro" und verfügt über die Kombination aus 452-PS-Allradantrieb und 386-Kilometer-Reichweite. Die Ausstattung zeigt sich etwas minimalistischer als bei den zivilen Lightning-Versionen: Die fünf Sitze der Super-Crew-Kabine tragen einen leicht abwaschbaren Vinyl-Überzug, die beiden Monitore messen jeweils zwölf Zoll, und Ford legt auch nur das kleine 32-Ampere-Onboard-Ladegerät bei. Unter der Ladefläche wartet immerhin ein vollwertiges Ersatzrad auf seinen Einsatz. Für den Basistarif gibt es zudem maximal 3,5 Tonnen Anhängelast.

Der teuerste Lightning kostet 98.000 Dollar

Wer Letztere um eine Tonne erhöhen will, muss zur Version mit 580 PS, 482 Kilometern Reichweite und serienmäßigem 80-Ampere-Onboard-Lader greifen. Diese Antriebs-Akku-Kombination bietet als billigste Variante der Lightning in der XLT-Ausstattung für mindestens 80.974 Dollar (ungefähr 74.400 Euro). Der Startpreis für den XLT mit Standard-Batterie liegt bei 63.474 Dollar (fast 59.400 Euro). Die technikzentrierte Lariat-Version startet bei 75.974 Dollar (knapp 70.000 Dollar). Das Lightning-Topmodell hört auf den Beinamen Platinum, kommt nur mit starkem Antrieb sowie dicker Batterie und steht mit satten 98.074 Dollar (gut 90.000 Euro) in der Preisliste.

Flottenbetreiber sollen mit einem digitalen Planungs-Tool das volle Einsparpotenzial bei den Betriebskosten ausschöpfen können. Laut Ford liegt dieses – gerechnet auf eine Laufleistung von gut 160.000 Kilometern – bei 40 Prozent im Vergleich zum Standard-F-150. Neben der Basisgarantie von drei Jahren gewährt Ford auf alle Elektro-Komponenten, also auch auf die Antriebsbatterie, eine Garantie von acht Jahren bis zu einer Laufleistung von 160.000 Kilometer.

2024 Marktstart in Norwegen

2024 startet der F-150 Lightning seine Karriere außerhalb Nordamerikas. Ford hat für kommendes Jahr die Markteinführung in Europa angekündigt. Für den Elektro-Pick-up beginnt sein Auslandsabenteuer im europäischen E-Auto-Vorzeigemarkt Norwegen. Für das skandinavische Land legt der Hersteller extra die Sonderserie Lariat Launch Edition auf. Wie diese genau ausgerüstet und bepreist sein wird, verrät Ford bisher nicht. Klar ist nur, dass der F-150 Lightning für Norwegen ausschließlich mit viertüriger Super-Crew-Kabine und in der Farbe Antimatter Blue metallic kommt und "perfekt auf das norwegische Terrain, den Outdoor-Geist und die EV-Leidenschaft abgestimmt" sein soll. Unklar ist bislang ebenfalls, aus wie vielen Exemplaren die "begrenzte Stückzahl" bestehen und ob der Elektro-Pick-up auch in andere europäische Märkte exportiert werden soll.

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Fazit

Wer beim angekündigten Elektro-Pick-up von Ford eine Alibi-Entwicklung erwartet hatte, nur um einen Gutes-Gewissen-Stromer neben die millionenfach verkauften Verbrenner-F-150 zu stellen, wurde von dem Hersteller eines Besseren belehrt. Ford meint es ernst mit diesem Produkt. Mit dem F-150 Lightning macht das Unternehmen auch etwas anderes klar: Die Traditions-Hersteller, von vielen angesichts der E-Herausforderung und der forschen Konkurrenz neu gegründeter Stromer-Hersteller bereits abgeschrieben, können mit einer ungleich größeren Markt-, Finanz- und Entwicklungs-Power einfach Tatsachen schaffen und den neuen Herausforderern auch preislich kräftig einschenken. Tatsächlich war der Elektro-F-150 anfangs nur wenig teurer als die Verbrenner-Varianten. Doch auch ein Branchenriese wie Ford muss sich den Tatsachen stellen und die Preise schon kurz nach Markteinführung um satte 20.000 Dollar anheben. Man darf zudem gespannt sein, welchen Preis Ford für den Lightning in Norwegen aufrufen wird.

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AUTO MOTOR UND SPORT 09 / 2024
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Erscheinungsdatum 11.04.2024

148 Seiten