Mercedes GLA (X157) 2020
Mehr Utility, weniger Sport

Klar, der erste GLA hatte Sportsgeist und Chic, aber wenig Innen- und Laderaum. Beim Nachfolger rückt Mercedes den Nutzwert stärker in den Vordergrund. Wir konnten ihn jetzt fahren.

Als Mercedes im Frühjahr 2014 seinen ersten Kompakt-SUV auf den Markt brachte, waren Audi Q3, BMW X1 und VW Tiguan längst Bestseller. Vielleicht wurde der GLA deshalb betont anders gestaltet und als sportlicher Crossover positioniert, der flach und dynamisch daherkommt. Damit ebnete er zwar ähnlich gearteten Rivalen wie Q3 Coupé oder X2 den Weg, kam aber trotz über einer Million gebauter Exemplare nie an die Verkaufszahlen der etablierten Größen heran.

Unsere Highlights

Dass der Nachfolger nun diesen Sonderweg verlässt und gewissermaßen in den Mainstream einschwenkt, ist ihm auf Anhieb anzusehen. Während der alte GLA eher wie eine hochgesetzte A-Klasse wirkte, legt der neue um fast elf Zentimeter zu und überragt nun knapp Q3 und X1, bleibt jedoch 4 cm unter dem Tiguan. Trotz des wuchtigen Auftritts wecken das dritte Seitenfenster und die schmalen Fondtüren sogar Assoziationen an die Van-artige, über 2.500 Euro günstigere B-Klasse, die bei fast gleicher Länge fünf Zentimeter flacher baut, aber mehr Innen- und Stauraum (455 bis 1.540 Liter) bietet.

Technik und Radstand von A- und B-Klasse

Ähnliches gilt natürlich für den nochmals höheren und längeren GLB aus dem mexikanischen Werk Aguascalientes, der als einziges Modell der Mercedes-Kompaktfamilie in Europa mit einem um 10 cm gestreckten Radstand sowie optional sieben Sitzen aufwartet. Mit dem Basisbenziner ist er übrigens nicht mal 500 Euro teurer als der GLA 200 aus Rastatt bei gleicher Fahrwerks- und Antriebstechnik sowie weitgehend identischer Ausstattung.

Auch das Interieur wirkt vertraut, wenn man die anderen Mitglieder des A-Teams kennt. Im Cockpit dominiert der frei stehende Bildschirm mit zwei Displays unter einer Glasscheibe, der sich gegen Zuzahlung zur größeren, bestechend scharfen Widescreen-Version (10,25 statt 7,0 Zoll) aufrüsten lässt. Die Bedienung via Touchpad auf der Mittelkonsole und im Lenkrad ist zwar komplex und erfordert Konzentration, doch die gut funktionierende Spracheingabe macht dieses Manko wieder wett.

Wie üblich gibt es verschiedene Ausstattungsvarianten von der eher mageren Basis (17-Zoll-Alufelgen und dreiteilig klappbare Fondbank, aber nur Halogenlicht) über Style und Progressive bis hin zur AMG Line, auf der die 7.616 Euro extra kostende "Edition 1" des Testwagens aufbaut. Der steht dann auf üppigen 20-Zoll-Rädern, beleuchtet das Vorfeld mit LED-Scheinwerfern und schmückt sich mit allerlei mattschwarzem Zierrat, während Fahrer und Beifahrer auf heizbaren Sportsitzen mit perforierten Lederbezügen residieren.

Höhere Sitzposition, luftiges Raumgefühl

Residieren? Ja, denn mit der Scheitelhöhe ging auch die Sitzposition spürbar nach oben. Man hat nun eine bessere Aus- und Übersicht sowie ein weit luftigeres Raumgefühl als im beengten Vorgänger. Am meisten profitieren jedoch die Hinterbänkler, die sich beim Einstieg nicht mehr falten müssen und fast 12 cm mehr Beinfreiheit sowie gut 4 cm mehr Schulterbreite vorfinden.

Mit der optionalen Längsverstellung der Rückbank (428 Euro) sowie der vorklappbaren Beifahrerlehne (179 Euro) lässt sich die Variabilität weiter steigern. Ebenfalls extra kosten ein Trennnetz und die elektrisch betätigte Heckklappe (464 Euro), eine Fernentriegelung der Fondlehne vom Heck aus gibt es nicht. Zudem ist das glattflächige, sauber verkleidete Gepäckabteil von 421 auf 435 Liter gewachsen, das Maximalvolumen sogar von 1.235 auf 1.430 Liter, wobei dann der höhenverstellbare Ladeboden nach vorn leicht ansteigt.

Gleichwohl ist selbst der neue GLA kein Raumwunder, die Konkurrenten Audi Q3 (530 – 1.525 l), BMW X1 (505 – 1.550 l) und VW Tiguan (615 – 1.655 l) bieten da erheblich mehr Reserven – zu günstigeren Preisen. Wer ersatzweise auf besonders hochwertige Materialien hofft, wird zumindest im Bereich des Sitzgestells, der Türablagen und der Fondkonsole vom dort verwendeten Hartplastik eines Besseren belehrt. Deutlich oberklassiger ist das üppige Assistenz- und Infotainment-Angebot, aber meist mit heftigen Aufpreisen verbunden – so wie nun selbst der Unilack Weiß (250 Euro).

Mercedes GLA (2020)
Hans-Dieter Seufert
Der volldigitale Widescreen gehört zum MBUX-High-End-Paket mit Navigation für 2.011 Euro Aufpreis.

Mit dem Designo-Mattlack in Mountaingrau (2.202 Euro) und vielen weiteren Extras repräsentiert das hier gezeigte Topmodell GLA 250 4Matic (Grundpreis 44.381 Euro) einen stattlichen Gesamtwert von über 60.000 Euro, und entsprechend hoch sind die Erwartungen ans Fahren. Da offenbart die zweite Generation analog zum erwachsenen Auftritt einen gereiften Charakter, wirkt entspannt und gelassen ohne künstliche Zuspitzung. Mit der gleichermaßen gefühlvollen wie ruhigen Lenkung folgt der Allradler präzise dem eingeschlagenen Kurs, zeigt jedoch bei flotter Kurvenfahrt mehr Seitenneigung und Untersteuern als etwa eine A-Klasse.

Die Federung erinnert an größere Mercedes

Hier wie dort lassen sich Komfort und Handling durch adaptive Dämpfer (1.178 Euro) weiter steigern, wobei der GLA selbst im Sport-Modus verbindlich federt. Speziell das sanfte Wiegen auf langen Wellen erinnert an größere Mercedes- Limousinen, nur kleinere Unebenheiten überrollt er etwas steifbeinig. Zudem unterstreichen niedrige Fahr- und Motorgeräusche den kultivierten Gesamteindruck.

Der aufgeladene Benziner mit 224 PS und 350 Nm Drehmoment sorgt jedenfalls schon bei niedrigen Drehzahlen für mühelosen und lebhaften Vortrieb, harmoniert gut mit dem serienmäßigen Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe. Erst bei spontaner Leistungsabfrage wird es bisweilen etwas hektisch, wenn der Automat zwei Stufen zurückschaltet und der Motor kernig hochjubelt. Da und im Verbrauch dürfte der durchzugsstärkere Topdiesel im 220 d die entspanntere, souveräne Alternative sein.

Denn darum geht es ja bei SUV überhaupt und besonders bei Autos mit Stern, und deshalb ist der neue GLA vor allem eins: Mehr-cedes.

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Fazit

Der neue GLA hat an Statur und Nutzbarkeit im Alltag klar gewonnen, ist geräumiger, komfortabler und sicherer geworden. Angesichts der Wandlung vom Crossover zum vollwertigen Kompakt-SUV lässt sich die weniger ausgeprägte Agilität ebenso verschmerzen wie das nicht ganz klassengerechte Platzangebot, nicht aber die überzogenen Preise. Selbst im hausinternen Vergleich kostet eine B-Klasse mit gleicher Technik und mehr Platz rund 3.600 Euro weniger.

Technische Daten
Mercedes GLA 200 Mercedes GLA 200 d Mercedes GLA 200 d 4Matic Mercedes GLA 220 d Mercedes GLA 220 d 4Matic ProgressiveMercedes GLA 250 Mercedes GLA 250 4Matic
Grundpreis41.180 €42.691 €44.905 €45.940 €44.782 €46.255 €52.027 €
Außenmaße4410 x 1834 x 1611 mm4410 x 1834 x 1611 mm4410 x 1834 x 1611 mm4410 x 1834 x 1611 mm4410 x 1834 x 1611 mm4410 x 1834 x 1611 mm4410 x 1834 x 1611 mm
Kofferraumvolumen435 bis 1430 l425 bis 1420 l425 bis 1420 l425 bis 1420 l425 bis 1420 l435 bis 1430 l435 bis 1430 l
Hubraum / Motor1332 cm³ / 4-Zylinder1950 cm³ / 4-Zylinder1950 cm³ / 4-Zylinder1950 cm³ / 4-Zylinder1950 cm³ / 4-Zylinder1991 cm³ / 4-Zylinder1991 cm³ / 4-Zylinder
Leistung120 kW / 163 PS bei 5500 U/min110 kW / 150 PS bei 3400 U/min110 kW / 150 PS bei 3400 U/min140 kW / 190 PS bei 3800 U/min140 kW / 190 PS bei 3800 U/min165 kW / 224 PS bei 5800 U/min165 kW / 224 PS bei 5800 U/min
Höchstgeschwindigkeit210 km/h208 km/h205 km/h222 km/h219 km/h240 km/h240 km/h
Verbrauch5,3 l/100 km5,1 l/100 km7,0 l/100 km
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AUTO MOTOR UND SPORT 09 / 2024
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Erscheinungsdatum 11.04.2024

148 Seiten