auto motor und sport Kongress 2019 „Ab 2040 keine Verbrenner mehr“

Mehr als 400 Teilnehmer diskutieren auf dem zehnten auto motor und sport Kongress neue Entwicklungen der Mobilität. Darunter Dieter Zetsche, Nico Rosberg und Professor Günther Schuh.

auto motor und sport Kongress 2019 Aufmacher Teaser
Rossen Gargolov

Alle reden darüber, was uns die Zukunft bringt. Doch was wir häufig übersehen, ist die Tatsache, dass die Welt von morgen bereits konkrete Züge annimmt. Vor allem die weltweite Situation mit verstopften Straßen und der Luftverschmutzung in vielen Städten übt Druck auf die bestehenden Verkehrskonzepte aus, dadurch erlebt die Mobilität gerade einen Paradigmenwechsel – die Zukunft wird nicht mehr nur vorausgesagt, es liegen bereits konkrete Lösungsvorschläge auf dem Tisch. Welche das sind und was sie in der Praxis bringen, darüber wurde auf dem zehnten auto motor und sport-Kongress in Stuttgart mit rund 400 Teilnehmern diskutiert.


Die Entwicklung schreitet zügig voran und Daimler-Chef Dieter Zetsche weiß, auf welche Strategie sich sein Konzern, nach seinem Ausscheiden im Mai, konzentrieren will: „In den nächsten Jahren liegt unser Fokus auf batterieelektrischen Antrieben, sie werden uns voranbringen.“ Mercedes könne nicht die Infrastruktur aufbauen, nicht die Netze verstärken, nicht die regenerativen Energiequellen errichten, die Rahmenbedingungen müsse die Politik schaffen, so Zetsche im Auftaktgespräch mit den auto motor und sport-Chefredakteuren Birgit Priemer und Ralph Alex. Er stellt die Frage, ob es sinnvoll ist, dass die Regierung so sehr den Fokus auf den batterielektrischen Antrieb legt. „Die Technologieoffenheit ist das Gebot, hier sollte sich die Industrie nicht so kleinlaut gegenüber der Politik geben“, meint RWTH-Forscher Professor Günther Schuh, zugleich Chef des Elektroautoherstellers e.Go in Aachen. Auch Zetsche sieht nicht allein das Batterie-Auto als Lösung, doch vielversprechende Techniken wie das Brennstoffzellenfahrzeug sind noch nicht in der Großserie einsetzbar. „Was hat der Kunde davon, wenn nach 100 km der Tank leer ist und er das Auto abstellen muss, weil es keine Wasserstoff-Tankstelle gibt.“

Elektroauto 8.000 Euro günstiger

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Unklar ist, wer die Kosten für die Infrastruktur tragen soll. Die Autoindustrie will es nicht. „Wir müssen sehen, die Mobilität finanzierbar zu halten, sie muss künftig auch mehr leisten – sie wird aber nicht günstiger werden“, ist Zetsche überzeugt. Der e.Go-Chef Schuh sieht dagegen noch viel Potential bei den Kosten. „Man begnügt sich mit einem günstigen Antrieb, der für 150 km reicht.“ Auch bei der Karosserie lässt sich sparen: „Solange wir keine 80.000 Stück von einem E-Auto bauen, empfehlen ich der Industrie das günstige Leichtbaukonzept des e.Go mit einem stabilen Kunststoff“, so Schuh.

Statt 120 habe er nur sechs Millionen Euro an Werkzeugkosten und statt eine Produktionshalle zu bauen, mietete er eine. All die Optimierungen bei Konstruktion und Produktion führten dazu, dass er seinen kleinen e.Go 8.000 Euro günstiger anbieten kann. „Hinzu kommen noch günstigste Versicherungseinstufungen“, freut sich Schuh.

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Auch für Peter Gutzmer, stellvertretender Vorsitzender und Vorstand Technologie bei Schaeffler, wird die Mobilität in Zukunft einiges kosten. „CO2-Freiheit wird nicht funktionieren und die CO2-Reduktion ist nicht billig – Mobilität wird per se teurer.“ Daher gibt es nach seiner Ansicht noch bis nach 2040 Verbrennungsantriebe im Verkehr, dann aber verstärkt mit regenerativen Kraftstoffen. Der Markt brauche die Technologieoffenheit, nur auf die Batterieantrieben zu setzen, hält er nicht für zielführend. „Wir sehen jetzt die Hybride, dann kommen die Batterieantriebe, nach 2030 wird es auch den Wasserstoffantrieb geben.“

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Zwar ist die rasche Abkehr vom Verbrennungsmotor gut fürs Klima, doch die Umstellung des Verkehrs auf Elektromotoren ist nicht die Lösung, ist Sven Hilbig von Brot für die Welt überzeugt. Grund hierfür ist nach seiner Ansicht der Umstand, dass die notwendigen Metalle für die elektrisch betriebenen Fahrzeuge zu nahezu 100 Prozent aus Entwicklungs- und Schwellenländern stammen – oftmals werden diese unter katastrophalen menschenrechtlichen, ökologischen und sozialen Bedingungen abgebaut. Vor diesem Hintergrund, so Hilbig, muss die Autoindustrie zu einem sozial-ökologischen Rohstoffabbau beitragen. Der frühere Formel1-Weltmeister Nico Rosberg sieht das ähnlich und unterstützt die Schülerdemos „Fridays for Future“ und hat die Autobranche aufgefordert, auf die Forderungen der Schüler einzugehen. „Alle Unternehmen der Welt sehen: Wenn meine Produkte nicht ökologischer werden, dann werden die jungen Leute sie nicht mehr kaufen“, sagt Rosberg.

Kodak-Moment der Automobilindustrie


Für eine umweltfreundliche Produktion wirbt auch ABB-Chef Ulrich Spiesshofer, doch das E-Auto werde bald Standard sein, ist er überzeugt. „Die Autoindustrie ist am Kodak-Moment angekommen. Wir müssen überlegen, wie sich das Transportsystem weiterentwickelt“, sagt Spiesshofer und erinnert daran, wie der Film aus der Rolle zum digitalen Bild wurde. „Fahrzeuge und Geschäftsmodelle ändern sich ganz grundsätzlich. Der Umbau zeigt enorme Chancen für Wachstum.“

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Dazu muss eine Branche aber erst seine Hausaufgabe machen. „Wir haben immer noch nicht das Problem gelöst mit der Infrastruktur; das ist aber ziemlich entscheidend für den Erfolg“, sagt Dirk Walliser, Leiter der zentralen Forschung und Entwicklung bei ZF. Wenn man das Problem schnell angeht, kann die E-Mobilität in Gang kommen. Danach sieht es aber nicht aus. „Wir werden höhere Volumina von E-Autos erst in 2021 und 2022 sehen“, sagt Continental-Chef Elmar Degenhart. „Nach 2040 laufen die Verbrenner aus, dann werden keine neuen Verbrenner mehr verkauft“, so die Continental-Prognose, die Degenhart 400 Automanagern am Dienstag auf dem auto motor und sport-Kongress in Stuttgart präsentierte. „Die Autoindustrie bewältigt gerade die fundamentalste Transformation seit ihrer Entstehung.“

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Der Druck auf die Branche steigt, denn es sind nicht mehr alleine die Autohersteller, die in den Fahrzeugmarkt drängen und von dem Wachstum profitieren wollen. Neue Konkurrenz droht auch von branchenfremden Unternehmen. So setzt die Supermarktkette Walmart oder die Deutsche Post auf eigene Transport-Fahrzeuge. „Die Logistik wird mehr Fahrzeuge auf den Markt bringen“, sagt Marcus Willand von dem Beratungsunternehmen MHP, das zu Porsche gehört. „Privat nehmen die Kilometer ab, weil die Menschen nicht mehr so oft ins Shoppingcenter fahren, dafür werden sich die Kilometer der Logistiker vervielfachen.“ Und hier kommen Google und Co. ins Spiel. „Zwischen Kunden und Autohersteller drängen sich die digitalen Anbieter“, so Willand. „Ihnen geht es vor allem um Kundenkontakte.“ So muss die Autoindustrie lernen, wie die digitalen Wertschöpfungsketten funktionieren.

100 Millionen Codezeilen im Auto

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Doch dazu betritt sie neue Felder – gerade was die Software-Kompetenz betrifft. Zwar stecken in ihren Fahrzeugen bereits um die 100 Millionen Codezeilen und damit fast doppelt so viel wie etwa bei Facebook in den Datenbanken, doch das ist nicht alles im Wettbewerb. „Die Autoindustrie hat Software-Kompetenz nicht in ausreichendem Maße“, sagt Continental-Chef Elmar Degenhart. „Es bleibt Ihr nicht viel Zeit, sich diese anzueignen.“ Die IT-Industrie habe die Kompetenz und dränge in die Fahrzeugsparte. Ihr fehle das Know-how in den Bereichen Spezifikation, Validierung und Homologation zur sicheren Zulassung, so Degenhart.

Gerade wenn es um das autonome und vernetzte Fahren geht, sind branchenfremde Unternehmen schon weit in der Entwicklung. Doch verstecken muss man sich nicht in Deutschland, wie Dirk Walliser von ZF zu verstehen gibt. „Das Robo-Taxi e.GO Mover, das wohl dieses Jahr eine Straßenzulassung bekommt, fährt elektrisch und vollvernetzt.“ Die Industrie konnte die Fehlerquote bei der Objekterkennung auf nur noch 2,3 Prozent senken, 2010 waren es noch 28,2 Prozent. „Die KI ist reif, funktioniert und ist da“, so Walliser.

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Der Wert des Testens liegt nicht in der Anzahl der Kilometer, sondern darin, die Dinge und Situationen zu erkennen, die zu einem Fehler führen, das zieht Aurora-Chef Chris Urmson ebenfalls so. Er gilt gerade als einer der größten Fachleute auf dem Gebiet des autonomen Fahrens. „Wir lernen nicht durch die Anzahl der erfolgreichen Kilometer, sondern durch die vielen Fehler und ihre Ursachen während der Testfahrten.“ Es liegt noch viel Arbeit vor der Branche. Denn neue Mobilitätslösungen bieten die größten Wachstumschancen, ist Andreas Tschiesner, Senior Partner bei McKinsey, überzeugt. „Dabei sind Europa und China die reguliertesten Märkte, relativ frei ist Nordamerika.“ Also sind die US-Größen Google und Co. im Vorteil. Stellt sich die Frage, wer das Rennen am Ende macht – die Softwareindustrie oder die Autohersteller? Für e.Go-Chef Schuh ist die Lösung einfach: „Wir brauchen mehr Rechenleistung im Auto, das muss die Aufgabe der Autohersteller in Deutschland sein. Hier liegt ihre Chance gegen Google und Co.“