Die Zukunft der Mobilität
Hyundai hat alternative Antriebe im Fokus

Von der Öffentlichkeit kaum bemerkt hat sich Hyundai zu einem Vorreiter in Sachen alternativer Antriebe entwickelt. Die Hintergründe und Perspektiven haben die Koreaner jetzt vorgestellt.

09/2019, Hyundai 45 EV Concept
Foto: Hyundai

Geht es um die Zukunft der Mobilität, weiß man hierzulande seit längerem offenbar ganz genau: Alles wird elektrisch. Speziell seit der Gigant Volkswagen mit viel Publicity-Getöse den Radikalumbau des Konzerns hin zum Elektroauto betreibt, finden sich Politik und Publikumsmedien in diesem Punkt in großer Einigkeit.

Was bei dieser 180-Grad-Wende im Automobilsektor jedoch stellenweise übersehen wird, ist die Vielfältigkeit der Bedürfnisse. Stadt- und Landbewohner, Pendler, gewerbliche Transporteure, kinderreiche Familien, beruflich bedingte Vielfahrer. Und so weiter. Sie alle benötigen eigene, individuelle Lösungen, für die ein rein batterieelektrisch angetriebenes Fahrzeug zumindest in absehbarer Zeit nicht immer das Optimum darstellen kann. Nicht zu vergessen sind die Notwendigkeiten in Entwicklungs- und Schwellenländern, wo mangels Infrastruktur ein kompletter Wechsel hin zum Elektroauto überhaupt nicht möglich ist. Selbst in Teilen Ost- und Südeuropas ist zu einer einigermaßen alltagstauglichen Lade-Infrastruktur noch ein sehr weiter Weg, sofern man sich Elektromobilität in Niedriglohn-Ländern überhaupt leisten kann.

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Wasserstoff als Teil der Lösung

Vor diesem Hintergrund war bislang vor allem Toyota mit einer Alternative zu den Alternativen aufgefallen. Die Japaner sehen das reine BEV seit jeher eher skeptisch und vor allem im Umfeld von Großstädten der Industrieländer. Man setzt daher auf Wasserstoff, Benzin-Elektro-Hybride und nicht zuletzt auch weiterhin auf den Diesel für Nutzfahrzeuganwendungen. Eher unbemerkt von der Öffentlichkeit verfolgt auch Hyundai einen sehr ähnlichen Ansatz. Bester Beleg hierfür ist, dass die Koreaner mit dem Nexo neben Toyotas Mirai aktuell das einzige regulär kaufbare Brennstoffzellenfahrzeug in Europa auf dem Markt haben.

Hyundai Nexo, Best Cars 2020, Kategorie K Große SUV/Geländewagen
Axel Wierdemann
Elektriker mit Brennstoffzelle: Den Hyundai Nexo kann man in Deutschland regulär kaufen

Bei einem Workshop Anfang November hat Hyundai Europe nun mit mehreren Partnern vorgestellt, wo die Linie des Unternehmens künftig hinführt. Der Anlass dafür war bestens hierfür geeignet: Mit dem Energieversorger Alpiq aus der Schweiz wird künftig in einem Pilotprojekt der Einsatz von Lkw mit "grün" erzeugtem Wasserstoff vorangetrieben. Ab 2020 sollen zunächst 50, innerhalb von fünf weiteren Jahren dann bis zu 1.600 Lkw mit Brennstoffzellentechnik zum Einsatz kommen.

Lkw mit Brennstoffzelle

Beim H2 XCient verwendet Hyundai insgesamt sieben Wasserstofftanks, die hinter der Kabine angebracht sind und 35 Kilo Wasserstoff speichern können. Hieraus beziehen die zwei Brennstoffzellenmodule mit je 95 kW Leistung ihren Treibstoff, um den elektrischen Antrieb zu versorgen. Rund 400 Kilometer Reichweite sollen die Lkw erzielen. Produziert wird der Wasserstoff mittels Elektrolyse, den Strom liefert ein Flusswasserkraftwerk, die Technik zwei Systempartner (H2 Energy und Linde). In standardgroßen Übersee-Containern wird der Wasserstoff produziert, gespeichert und zu den Tankpunkten ausgeliefert. 300 Tonnen Wasserstoff sollen sich laut Alpiq mit diesem einen Projekt jährlich produzieren lassen.

Hyundai HDC-6 Neptune
Hyundai
HDC6-Neptune heißt ein Konzeptfahrzeug von Hyundai zum Thema Transport der Zukunft. Ganz konkret baut man derweil in der Schweiz ein Pilotprojekt auf

Das Thema Wasserstoff beschäftigt Hyundai nicht nur für Nutzfahrzeuge, wo ein rein batterieelektrischer Antrieb aus Kosten- und Gewichtsgründen in der näheren Zukunft nicht besonders chancenreich wirkt. Auch im Pkw-Bereich für den Einsatz auf längeren Strecken soll diese Technik vor allem im Premium-Segment zum Einsatz kommen, der Hyundai Nexo dient hier als Beispiel. Ein Modell, das im auto motor und sport-Test einen guten Eindruck hinterlassen hat, aber nach wie vor recht teuer ist. Wobei man davon ausgehen darf, dass Hyundai wie Toyota mit dem Mirai am Nexo kein Geld verdient, sondern eher welches drauflegt. Immerhin: Von Januar bis Oktober konnte Hyundai bereits über 100 Nexo in Deutschland zulassen, dank einer kürzlich beschlossenen großzügigen Wasserstoff-Förderung der Bundesregierung könnten das bald sogar deutlich mehr werden. Interessanter Nebenaspekt: Inzwischen arbeitet Audi mit Hyundai in einem Forschungsprojekt zusammen, so wollen die Ingolstädter künftig auch die Rolle der Brennstoffzelle im Konzern voranbringen und Hyundais Erfahrung auf diesem Gebiet nutzen. Ein Ritterschlag für die Koreaner.

Batterieelektrischer Antrieb ebenfalls im Fokus

Die Brennstoffzelle sieht Hyundai nicht nur im Mobilitätseinsatz. Grundsätzlich eignet sich diese Technik auch für die stationäre Verwendung, mit dem Vorteil, dass die Tankproblematik beherrschbarer wird. Denn während im Pkw angesichts des begrenzten Raums die Speichertanks mit bis zu 700 bar Druck beaufschlagt werden, kann eine stationäre Brennstoffzelle aus großvolumigen Tanks mit niedrigem Druck oder theoretisch sogar direkt aus einer Fernversorgungsleitung mit Wasserstoffgas gespeist werden. Damit wäre die komplette Wärme- und Elektrizitätsversorgung von Gebäuden ebenso möglich wie der Einsatz in Notstrom-Aggregaten, die derzeit noch als Dieselvarianten in kritischen Strukturen (etwa Krankenhäusern) vorgehalten werden.

Die Grundproblematik bei Wasserstoff bleibt jedoch, dass die Produktion per Elektrolyse sehr energieintensiv ist. Unter ökologischen Aspekten ist daher nur die Produktion aus erneuerbaren Energien sinnvoll, ebenso die Herstellung von Wasserstoff bei einer speziell in Deutschland öfter vorliegenden Überschussproduktion etwa aus Windkraft.

Hyundai Future Days Zuerich 2019
Tanken wie gewohnt: Wasserstoff-Einfüllstutzen des Hyundai Nexo

Neben der Brennstoffzelle als Energiespeicher setzt Hyundai deshalb für den Weltmarkt auf einen Mehrklang bei den Antrieben. Die klassischen Benzin- und Dieselverbrenner werden nach und nach elektrifiziert, wobei das Einsparpotential der Mild-Hybriden mit Startergenerator und 48-Volt-System vergleichsweise überschaubar bleibt. Vorteil dabei jedoch: Diese Technik benötigt weder eine spezielle Lade- oder Versorgungsinfrastruktur noch teure Traktionsbatterien, eignet sich daher auch für den Einsatz in Schwellenländern.

Im Bereich der rein batterieelektrisch angetriebenen Modelle ist der Zug bei Hyundai gerade erst angefahren. Aktuell sind mit Kona und Ioniq zwei Elektromodelle im Hyundai-Angebot. Zusätzlich, und das ist relativ einzigartig auf dem Markt, bietet Hyundai den Ioniq auch als HEV- und PHEV-Hybrid an, den Kona neben dem Elektromodell auch als Hybrid und als normalen Verbrenner. Gleich drei E-Alternativen einer Baureihe wie beim Ioniq (und zwar ausschließlich) bietet derzeit kein anderer Hersteller auf dem deutschen Markt.

Mit einem weiteren Schritt hat Hyundai deshalb auch das Thema der BEV-Fahrzeuge in Europa auf die Agenda gesetzt: Mit dem Beitritt zum Ladenetzwerk Ionity, das ursprünglich in Deutschland von den Konzernen BMW, Daimler, Ford und Volkswagen gegründet wurde, beteiligen sich die Koreaner künftig am Ausbau der Schnelllade-Infrastruktur. Das Ionity-Netzwerk umfasst aktuell über 150 Standorte, bis Ende 2020 sollen 400 Standorte mit jeweils mehreren Schnellladern in Europa betriebsbereit sein und mit bis zu 350 kW Ladeleistung das Nachtanken von Stromern im Idealfall in wenigen Minuten ermöglichen. Profitieren wird von einer so hohen Ladeleistung auch der als Hyundai Conzept 45 EV auf der IAA vorgestellte Stromer, der im kommenden Jahr auf den Markt kommen soll. Ihm folgen in den kommenden fünf Jahren 16 weitere batterieelektrische Hyundai-Modelle in allen Klassen.

Das Investitionsvolumen: 35 Milliarden Euro.

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Fazit

Hyundai forciert die parallele Entwicklung diverser Antriebsarten für die automobile Zukunft und setzt mit hohen Investitionen auch, aber nicht ausschließlich auf den Elektroantrieb. Großes Potential sieht der Konzern künftig in der Brennstoffzellentechnik. Aber auch den Verbrenner, sei es als Mildhybrid elektrifiziert oder als HEV und PHEV mit unterstützendem Elektroantrieb ausgerüstet, sehen die Koreaner als Konzept mit Zukunft. Im Jahr 2025 will Hyundai weltweit 560.000 Elektroautos pro Jahr verkaufen.

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AUTO MOTOR UND SPORT 09 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 09 / 2024

Erscheinungsdatum 11.04.2024

148 Seiten